"Hey Apple, hands off Fed Square!"
Boom! Zusammen mit zwei Kooperationspartnern, darunter der viktorianischen Regierung, hat Apple vor wenigen Tagen den Entwurf für einen neuen Apple Store am Federation Square in Melbourne der Öffentlichkeit vorgestellt: Ein einzigartiger Standort, der als größter und bedeutendster seiner Art auf der Südhalbkugel beschrieben wird. Kurz vor den Feiertagen scheint die Ankündigung jedoch für viele Melbourianer eher ein ungewolltes Geschenk zu sein, das viel Gesprächsstoff beim weihnachtlichen Barbecue am Strand provoziert.
Apple Federation Square in Melbourne, Australien — Illustration: Foster + Partners
Alle bisherigen Standorte von Apple sind auf die Einkaufszentren der zahlreichen Vororte von Melbourne verteilt, und erst kürzlich erreichten die neuen Designrichtlinien mit der Expansion von Apple Chadstone "down under". Die zweitgrößte Stadt des australischen Kontinents hat sich jahrelang über das Fehlen eines Apple Stores in der Innenstadt gewundert. Bis jetzt.
"Wir freuen uns sehr, die Planung unseres neuen Zuhauses auf Melbournes Federation Square fortzusetzen und es wäre uns eine Ehre, die Weltklasse-Galerien und Museen von Melbourne unsere Nachbarn zu nennen.", wird Angela Ahrendts, Apples Senior Vice President Retail, in der offiziellen Pressemitteilung zitiert. "Apple Federation Square respektiert die ursprüngliche Vision des Platzes mit einem maßgeschneiderten Designkonzept und einer umfassenden Landschaftsgestaltung, die den Einwohnern mehr Möglichkeiten bieten wird, dieses renommierte Kulturzentrum zu erleben."
Apple Federation Square in Melbourne, Australien — Illustration: Foster + Partners
Apple Federation Square in Melbourne, Australien — Illustration: Foster + Partners
Apple Federation Square in Melbourne, Australien — Illustration: Foster + Partners via Herald Sun
Der Entwurf für Apple Federation Square ist ein sehr markanter Pavillon an der südlichen Grenze des Federation Squares, entlang des Yarra Rivers. Klare Linien, durchgehenden Transparenz und scharfe Kanten definieren das freistehende, zweistöckiges Gebäude, das sich insgesamt der für Apple charakteristischen Materialwahl bedient: Glas, Stein und Holz. Lediglich die kupferfarbenen Metallverkleidung ist ein neues Element, das einen direkten Bezug zum benachbarten Gebäudekomplex schafft. Der Balkon bietet einen Rundumblick auf Stadt und auf die Freifläche um den geplanten "town square". Die Landschaftsgestaltung schafft mit neuen Grünflächen, Sitztreppen und Gehwegen nicht nur eine Synergie zwischen dem Pavillon und dem restlichen Platz, sondern etabliert auch eine neue, direkte Verbindung zum Fluss. Insgesamt werden mehr als 550 m² zusätzlicher, öffentlicher Fläche geschaffen. Apple Federation Square soll zudem vollständig auf erneuerbare Energie setzen.
Der von Apple als "global flagship" bezeichnete Apple Federation Square ist Teil einer breit angelegten Initiative vom regionalen Managements, den Platz mit neuen Leben zu füllen. Der Entwurf wurde bereits mehr als zwei Jahre mit der Regierung, den Verantwortlichen für den Fed Square, dem Architekturbüro Foster + Partners und Apple vorbereitet. Zuletzt hat die australische Tageszeitung The Age im November 2016 über das Vorhaben berichtet.
Als "global flagship" werden übrigens Apple Stores mit einer "ikonische Architektur an einer geografischen Schlüsselposition" bezeichnet. Ausserhalb der USA trifft diese Beschreibung bisher lediglich auf den zukünftigen Apple Piazza Liberty in Mailand zu, der im Frühjahr 2019 eröffnen soll. Der neue Standort in Melbourne wird einer von nur fünf seiner Art weltweit sein.
Federation Square in Melbourne, Australien — Foto: unbekannt, via architizer.com
Sydney hat das Opernhaus. Das mit Abstand berühmteste Gebäude "down under" ist seit seiner Eröffnung im Jahr 1973 im Laufe der Zeit zum Wahrzeichen eines gesamten Kontinents gewachsen. Und Melbourne? Die zweitgrößte Stadt des fünften Kontinents, im ständigen Wettstreit mit der grösseren, hat im Jahr 2002 ein städtebauliches Herz erhalten: den Federation Square. Ein scheinbar wirres Ensemble mehrerer Bauten um einen nicht ganz symmetrischen Platz. Das Design von Lab Architecture Studio und Bates Smart wurde einstimmig aus 177 Einreichungen eines 1997 von der Regierung ausgeschriebenen internationalen Wettbewerbs ausgewählt. Drei Verkleidungsmaterialien—Sandstein, Zink und Glas— sollen einen Eindruck von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vermitteln und spiegeln die Materialien der Bauwerke wieder, die den Federation Square einrahmen. Die zeitgenössische Architektur hatte damals einen großen öffentlichen Aufschrei erzeugt, dessen Echo bis heute zwischen der chaotisch wirkenden Dreiecksstrukturen erklingt.
Der Federation Square beherbergt mit The Ian Potter Centre: NGV Australia u.a. die weltgrößte Sammlung australischer Kunst, das australische Zentrum für bewegte Bilder und SBS, die öffentlich-rechtliche Rundfunkgesellschaft Australiens. Alles Mieter, die entweder zu öffentlich Einrichtungen oder kulturellen Organisationen gehören.
"Das Design hat die Anmut und den Charme von Godzilla,", klagte der Politiker John Brumby vor knapp 20 Jahren den Wettbewerbsgewinner an. 15 Jahre später und mit mehr als 10 Millionen Besucher im Jahr ist der Federation Square ein fester, nicht wegzudenkender Teil der Stadt Melbourne geworden.
Federation Square in Melbourne, Australien — Foto: ABC News
Das Yarra Building am Federation Square in Melbourne, Australien — Foto: ABC News
Platzhirsch
Die Meinungen über den Federation Square sind schon immer geteilt gewesen, und der Entwurf für den Apple Store scheint ein neues Kapitel zu öffnen. Die anhaltende, medienwirksame Diskussion ist aktuell hauptsächlich von zwei großen Argumenten motiviert.
Der Abriss vom Yarra Building.
Das erste Argument gegen den neuen Apple Store ist die Tatsache, dass für den Bau das Yarra Building abgerissen wird. Boom. Das Gebäude am nächsten zum Yarra River, dem Fluss, an dem 1835 die Stadt gegründet worden ist, beherbergt den Sitz vom Koorie Heritage Trust. Das Gebäude ist aus architektonischer Sicht ein fester Bestandteil der Gesamtkonstruktion, und die Stiftung "schützt, bewahrt und fördert die Kultur der Ureinwohner in Australiens". Beide Beschreibungen bieten genügend Rechtfertigung für ein Stirnrunzeln—und Platz für Missverständnisse.
Tatsache ist, dass der Koorie Heritage Trust wie bisher auch als Mieter und nicht Eigentümer in ein anderes Gebäude am Federation Square umziehen wird. Das vom aktuellen Standort gegenüberliegende Alfred Deakin Building bietet der Stiftung mehr Platz und dank einem eigenen Eingang auch eine bessere Präsenz auf dem Federation Square. Die Geschäftsführung der Stiftung hat im Laufe der Diskussion eine schriftliche Erklärung veröffentlicht, die den Umzug, für den die Kosten übernommen werden, befürwortet, da sich daraus keinerlei Nachteile ergeben. Ganz im Gegenteil: Die Mitglieder sehen hier eine einzigartige Chance für die Stiftung.
"The Koorie Heritage Trust’s Board of Management has made the decision to capitalise on a rare opportunity to relocate the Trust to larger premises but remaining as a crucial element of Federation Square’s cultural and creative tenancy."
Auch der ursprüngliche Architekt Donald Bates, öffentliche Kritik gewohnt, beteiligt sich an der Diskussion und gab mehrere schriftliche Erklärungen ab. In dem Artikel "Why I support an Apple flagship store at Federation Square" stellt Donald Bates eine befürwortende Argumentationskette aus mehreren Betrachtungen zusammen. In einer weiteren Veröffentlichung spricht sich der Architekt erneut für das Projekt aus:
"The incorporation of Apple Fed Square is entirely consistent with the original design inspiration of a 21st century public space, formed by the integration of the civic, the cultural and the commercial."
Ein kommerzielles Unternehmen besetzt einen öffentlichen Ort.
Es sind nicht Apples erste Bemühungen, einen öffentlichen Ort für sich zu gewinnen und ebenfalls nicht die erste Front an der das Unternehmen kämpfen und die Einwohner von der Idee überzeugen muss. Sowohl die Pläne für Apple Kungsträdgården in Stockholm als auch die Nutzung der Carnegie Library in Washington, D.C. sorgten in den vergangenen Monaten für Schlagzeilen mit ähnlichen Bedenken: Der Federation Square ist ein öffentlicher Platz, der durch die Präsenz von Apple kommerzialisiert wird.
Die Anwohner Melbournes befürchten, dass mit der Umgestaltung des Platzes der kulturelle Aspekt verloren geht. Der außergewöhnlichen Gebäudekomplex beherbergt vordergründig Museen und Galerien, auf dem Innenplatz finden regelmäßig Veranstaltungen statt. Der Federation Square bietet Straßenkünstlern eine Bühne, den Einwohnern einen Zufluchtsort. Auch Apples oft von regionalen Künstlern, gemeinnützigen und kreativen Organisationen geprägte Veranstaltungsreihe "Today at Apple" kann sich gegen diesen Standpunkt scheinbar nicht durchsetzen.
Der in diesem Zusammenhang in den Medien gern zitierte Melbourner Architekt Michael Smith fasst gegenüber Architecture and Design zusammen: "Für die Identität der Stadt ist der Federation Square genauso wichtig wie die National Gallery of Victoria oder der MCG. Es ist merkwürdig, dass eine Regierung es überhaupt in Betracht zieht, einen Teil von Melbournes erfolgreichstem öffentlichen Raum und ein ikonisches Stück zeitgenössischer Architektur abzureißen, um ein verherrlichtes Einzelhandelsgeschäft zu ermöglichen. Die Einwohner von Melbourne werden nicht tatenlos zusehen, wie das geschieht. Apple hat die kulturelle Bedeutung dieses Platzes falsch eingeschätzt und es wäre klüger, einen angemesseneren Standort zu suchen."
Apple Federation Square in Melbourne, Australien — Illustration: Foster + Partners
Apple Federation Square in Melbourne, Australien — Zeichnung: Foster + Partners via Herald Sun
Wie die britische Tageszeitung The Guardian am 20.12.2017 berichtete, ist die erste Phase der Planung abgeschlossen und die Genehmigung bereits erteilt. Die Bauarbeiten sollen Mitte 2019 beginnen, der Apple Store könnte bereits im darauffolgenden Jahr eröffnen. Ob Apple auf die laufende Diskussion reagiert, und in welcher Form, ist nicht bekannt. Die offizielle Seite vom Federation Square hat mittlerweile den initialen Artikel mit Fragen und Antworten ergänzt.